Ein Gespräch mit Philipp Palaske zu verabreden, ist nicht einfach: Er hat viel zu tun und: „Ich hasse es, im Mittelpunkt zu stehen!“ –„Haben Sie sich deshalb einen Beruf im Untergrund ausgesucht, wo man Sie nicht sieht?“ Im Gegenteil: Er finde es toll, mit Menschen zu arbeiten. Und mit modernster Technik. Vor allem mit Menschen – Ja, wie nun? Am besten von vorn: Philipp Palaske, 29 Jahre alt, ist Meister für Rohr-, Kanal- und Industrieservice und seit Oktober 2018 neben Carsten Christ Geschäftsführer der Mayer Kanalmanagement GmbH (MKM) in Rüdersdorf bei Berlin. Seit Beginn dieses Jahres leitet er den operativen und technischen Bereich des Unternehmens. Der Strausberger ist ein echtes Wendekind, geboren zwischen Mauerfall (also VDRK-Gründung) und Wiedervereinigung. Nach der Fachoberschulreife „mit Ehrenrunde“ kann er sich nicht recht entscheiden: Krankenpfleger oder Kfz-Mechatroniker? Wie sich diese Ideen verbinden und nahezu zwingend zur Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Industrieservice (RKI) führen, ahnt er noch nicht. Irgendwann sieht er eine Fernsehreportage über Katakomben und Kanäle in Frankreich: Spannend da unten – und nicht jeder kommt rein. Am nächsten Morgen beim Frühstück mit den Eltern macht es klick: Eine Anzeige in der Märkischen Oderzeitung wirbt um Auszubildende zur Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Industrieservice. Palaske hat schon ziemlich viele Bewerbungen geschrieben und ebenso viele Ablehnungen gelesen. Aber die „Katakomben“ sind noch einen Versuch wert. Beworben, vorgestellt, Probearbeitswoche geleistet, Vertrag unterschrieben. Und los geht es als erster Azubi des damals 20-köpfigen MKM-Teams.
Schon in der Probearbeitswoche ist Palaske perplex: Ein Kfz, das Abwasser reinigen kann. Ein Fahrzeug, das prüft, ob die Kanäle dicht sind. Ein Roboter, der die Kanäle inspiziert. Technik im Wert von Millionen Euro. Hätte er sich das vorher vorstellen können? „Nicht im Ansatz! Die Technik ist so vielfältig – da musste ich mich echt anstrengen, um zu kapieren, was wie funktioniert. Schließlich wollte ich das alles nicht nur benutzen, sondern auch verstehen.“ Klar, wenn man Kfz-Mechatroniker werden wollte. Sein Lieblingsgerät? „Kanalreinigungsfahrzeuge – beim Spülen ist die Wirkung einfach verblüffend.“ „Wir machen alles vom Handwaschbecken bis zur Kläranlage“, erzählt Palaske, aber besonders faszinieren ihn die XXL-Formate: „Diese Großkanäle mit drei, vier Metern Durchmesser sind wie eine Stadt unter der Stadt. Man findet dort auch alles vom Kinderbett bis zum Einkaufswagen – wir überlegen immer, wie die da wohl hingekommen sein mögen.“ Die Faszination des Berufes liegt im Kopf Überhaupt findet die Faszination des Berufes bei ihm im Kopf statt: „Stellen Sie sich den Alex (Alexanderplatz im Zentrum Berlins) oder das Bundeskanzleramt vor: Oben eine Million Touristen oder 100 Politiker und wir sorgen untendrunter dafür, dass alles fließt und funktioniert – aber die haben keine Ahnung von uns.“ Stimmt – und wenn man es so betrachtet, bekommt „Die Macht im Schacht“ der Slogan von MKM, eine viel weiter reichende Bedeutung … Palaske setzt nach: „Ehrlich gesagt finde ich es ein bisschen schade, dass ich heute kaum noch vor Ort im Einsatz bin.“ Nun hat der Mann in der Hauptstadt natürlich besonders spannende Arbeitsplätze, oder? Widerspruch: „Nee-nee. Schauen Sie aus der Vogelperspektive auf Deutschland: Unter jedem Haus und jedem Feld, unter jeder Fabrik und jedem Bahnhof, unter dem Bundeskanzleramt und dem Flüchtlingsheim – überall liegen Kanäle. Die Hygiene sichern. Auf die Menschen angewiesen sind. Und manches Problem darin ist erheblich komplexer als vermutet. Darum kümmern wir uns.“ So spricht jemand, der mal Krankenpfleger werden wollte. „Die Macht im Schacht“ „Herr Palaske, wie erklären Sie Menschen, die keine Ahnung haben, Ihren Beruf?“ Die Frage kennt er: „Seit zwölf Jahren rette ich jeden Tag Leute vorm Absaufen. Ähnlich wie die Feuerwehr. Ich sage oft: Stellt Euch vor, was passieren würde, wenn wir nur 24 Stunden komplett streiken würden.“ „Und?“ „Eben!“ „Sie sind also sozusagen eine hochtechnisierte Pflegekraft der Wasserwirtschaft?“ Palaske lacht: „Das kann man so sehen.“ Also: Krankenpfleger + Kfz-Mechatroniker = Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Industrieservice – nennen wir es die Palaske-Gleichung. Menschen seien ihm wichtig, hatte Philipp Palaske am Anfang des Gespräches gesagt. Das wollen wir genauer wissen – ein Kanal ist schließlich weder Partyzone noch Sprechzimmer. Nein, das mit den Menschen habe er auf seine neuen Aufgaben als Geschäftsführer bezogen. Aus dem Schacht an die Macht? „Nein.“ Palaske wird ernst: Er will, dass die rund 70 Mitarbeiter bei Mayer Kanalmanagement sich wohlfühlen, ihren Job gern machen – und stolz darauf sind.
Palaske schätzt die „kunterbunte Mischung“ im Unternehmen: Familienväter und deren Kinder, die jetzt in der Ausbildung sind, Kollegen aus Kamerun und Tschetschenien, Quereinsteiger aus allen Bereichen, „so schräg wie der Bäcker mit abgebrochenem BWLStudium.“ Er selbst ist seit 2015 Meister für RKI. Worauf er stolz ist? Palaske grinst: „Auf die letzten zwölf Jahre. Ich werde oft gefragt, ob es nicht schwierig ist, als Geschäftsführer zu arbeiten, wenn man im selben Unternehmen die Ausbildung gemacht hat. Sicher gibt es kleine Stolpersteine, aber ich habe meine Leute hinter mir und die wissen mich hinter sich. Im September hat mein dreizehntes Lehrjahr angefangen.“ „Wir warten nicht auf Azubis, wir gehen hin zu den Leuten!“ Vier neue Auszubildende haben in diesem Jahr bei MKM begonnen. Dass der junge Geschäftsführer diese im persönlichen Gespräch überzeugt, glaubt man sofort, aber wie bekommt er überhaupt Bewerbungen? „Wir gehen viel an Schulen und sprechen die Leute direkt an. Und setzen dabei natürlich auch auf das tolle neue Azubimaterial vom VDRK. Das funktioniert.“ Auch finanzielle Motivation spiele eine wichtige Rolle bei MKM. Und das Leben nach Feierabend? Wer im Berufsleben die Wasserentsorgung einer Millionenstadt sichert, braucht zum Ausgleich wohl das Gegenteil: Palaske lebt in einem kleinen Dorf im Wald; als Hobbys nennt er Angeln, Jagen und Klettern. Wasser und Wälder gibt’s in Brandenburg reichlich. Zum Klettern (da geht’s zur
Abwechslung nach oben) fährt er am liebsten ins sächsische Elbsandsteingebirge. Nachdem wir so viel über Erfolge gesprochen haben, eine abschließende Frage: „Auch mal ’nen echten Bock geschossen, Herr Palaske?“ – „Klar. In einer Industrieanlage habe ich als Jungfacharbeiter während unserer Reinigungsarbeiten die komplette Beschichtung ruiniert. Das hat uns über Jahre begleitet.“